Christiane Wollenhaupt-Brenner

Martinskirche

Werk - Mosaiken - Martinskirche (Kassel)


Das Altarbild 2013 (Foto: Kento Hayakawa)
Das 1957/58 geschaffene Altarbild Grosse Apokalypse der während der Schaffensphase erst 21-jährigen Künstlerin zeugt von einer erstaunlichen Reife und Unabhängigkeit vom so genannten Zeitgeist. Im Zentrum, das etwa ein Fünftel des stark querformatigen, in drei Teile geteilten Altars, einnimmt, befindet sich in der Mandorla die sehr statisch wirkende Figur des sitzenden Christus Pantokrator, mit dem Kreuz in der Gloriole, der seine rechte Hand zum Segen erhebt. Die vier Ecken werden durch die Evangelistensymbole Engel (Matthäus), Adler (Johannes), Stier (Lukas) und Löwe (Markus) ausgefüllt. Die rechte und linke Bildfläche werden jeweils durch zwei Figurengruppen gefüllt. Bei der oberen handelt es sich um jeweils zehn Engel, die ihre unterschiedlich gemusterten Flügel in verschiedenen Positionen halten. Auch sie sind sehr statisch gefasst, so dass sie fast eine Art rhythmisches Ornament bilden.Sie sind locker gruppiert und nicht spiegelsymmetrisch angeordnet, was der Komposition in ihrer Strenge dennoch Leben einhaucht, Von der Höhe her nimmt dieser Abschnitt etwas mehr als die Hälfte der Seitenflügel ein. Im unteren Bereich finden sich zwei weitere Figurengruppen. Jeweils 12 Figuren, die in ihren Händen goldene Schalen halten, wenden sich der Figur des Pantokrator im Zentrum durch eine leichte Körperdrehung zu. Im Unterschied zu den Engeln sind sie, die 24 Ältesten der Offenbarung, zwar ebenfalls nicht streng, zumindest aber andeutungsweise spiegelsymmetrisch angeordnet. Außer der Figur Gottes haben sämtliche Figuren keine Gesichter, die Köpfe bilden zusammen mit den sie umrahmenden Haaren und im Fall der Engel durch die rhythmisch immer wieder auftretenden Gloriolen eine Art Beim Kasseler Altarbild von Christiane Wollenhaupt-Brenner wird dieses Prinzip einerseits zwar aufgegriffen, andererseits aber in der Wirkung verändert, indem die Faltenwürfe der Gewänder auf einfache, fast geometrische Formen reduziert werden, die gleichzeitig durch das Changieren der Mosaiksteine Struktur bekommen.
Von der Symbolik her, greift das Bild auf Traditionen zurück, die im 20. Jahrhundert eher ungewohnt sind. Die strenge Einfügung der vier Evangelistensymbole erwarten wir in einem byzantinischen oder einem mittelalterlichen Bild. So kann zum Beispiel an die Buchmalerei des Mittelalters gedacht werden. Christiane Wollenhaupt-Brenner hat hier diese alte Tradition aufgegriffen und damit eigentlich eine Grundlage für ein nicht als solches definiertes Prinzip geschaffen, das ihr gesamtes Werk bestimmt und das ebenfalls vollkommen konträr zum Credo so vieler Künstler des 20. Jahrhunderts steht: Sie hat nie darauf bestanden, originell zu sein in dem Sinne, dass sie unbedingt absolut neues schaffen wollte. Vielmehr - und das zieht sich durch ihr gesamtes Werk - knüpfte sie stets an bestehende kunstgeschichtliche Traditionen an. Zweifellos war die Mosaiktechnik eine damals durchaus nicht unübliche Technik, die die Künstlerin erlernt hatte, als sie 1956 ein Praktikum für Mosaik und Wandgestaltung in Herrsching am Ammersee absolvierte. Jahrhundert, Und auch zur documenta 1 1955 ruft Werner Haftmann in einer Abteilung, in der er kunstgeschichtliche Vorbilder als Legitimation der Moderne auf großen Fototafeln zeigt, die byzantinische Kunst in den Zeugenstand.